Nutzungsszenarien

Szenario 1: Mobile Client-Anwendung

Eine Client-Anwendung für mobile Endgeräte wie Smartphones und Tablets, nachfolgend „App“ genannt, könnte das Ziel verfolgen, Nutzern unterwegs sowie abseits vom Desktop-PC auf die Gegebenheiten mobiler Endgeräte optimierten Lesezugriff auf Dokumente aus parlamentarischen Informationssystemen zu bieten. Die möglichen Kontexte und Nutzungsmotivationen sind vielfältig:

Teilnehmer einer Sitzung greifen während der Sitzung auf die Einladung dieser Sitzung und die zur Tagesordnung der Sitzung gehörenden Drucksachen zu, außerdem auf die Protokolle vorheriger Sitzungen.

Eine Redakteurin der Lokalpresse geht unterwegs die Themen der nächsten Sitzungen bestimmter Gremien, für die sie sich besonders interessiert, durch.

Eine Gruppe von Studierenden erkundet zusammen mit ihrem Dozenten die lokalpolitischen Aktivitäten des Viertels rund um ihre Hochschule. Dazu nutzen sie die GPS-Lokalisierung ihrer Smartphones in Verbindung mit den Geodaten, die an vielen Drucksachen des lokalen RIS zu finden sind. Direkt vor Ort an einer Baustelle öffnen sie Beschlüsse, Pläne und Eingaben aus dem Planfeststellungsverfahren, die dieser Baustelle voran gegangen sind.

Zur Realisierung derartiger Szenarien können die Fähigkeiten von OParl-kompatiblen Servern mit den besonderen Eigenschaften der mobilen Endgeräte verknüpft werden.

Smartphones und Tablets verfügen beispielsweise, je nach Aufenthaltsort, über sehr unterschiedlich gute Internetanbindung. In einem Büro oder zuhause können Nutzer über ein WLAN Daten mit hoher Bandbreite austauschen, in Mobilfunknetzen vor allem außerhalb der Ballungsgebiete jedoch sinken die Bandbreiten deutlich. Einige Tablets werden sogar ohne Möglichkeit zur Mobilfunk-Datenübertragung genutzt. In solchen Fällen kann ein Cache auf dem Endgerät dazu dienen, Inhalte vorzuhalten, die dann auch bei langsamer oder fehlender Internetverbindung zur Verfügung stehen. Sobald dann wieder eine Verbindung mit hoher Bandbreite bereit steht, kann die App im Hintergrund, entweder über die Feeds der OParl API oder über den einzelnen Abruf von Objekten, die gecachten Inhalte aktualisieren.

Eine Stärke eines mobilen Clients ist auch die Möglichkeit der Personalisierung, also der Anpassung auf die Bedürfnisse und Interessen der Nutzerin oder des Nutzers. Es wäre beispielsweise denkbar, dass eine Nutzerin die parlamentarischen Informationssysteme, für die sie sich interessiert, dauerhaft in der App einrichtet und eine Favoritenliste der Gremien, die ihre bevorzugten Themengebiete behandeln, hinterlegt. Die App könnte aufgrund dieser Favoritenliste eigenständig über die API nach neuen Sitzungsterminen, Tagesordnungspunkten, Drucksachen und Dokumente suchen. Taucht dabei ein neues Objekt auf, wird die Nutzerin darüber benachrichtigt. Sie kann dann beispielsweise entscheiden, Dokumente direkt zu öffnen oder für den späteren Offline-Zugriff zu speichern.

Einem derartigen Szenario kommt das Graph-orientierte Datenmodell der OParl-API entgegen. Ausgehend von einer Sitzung eines bestimmten Gremiums beispielsweise ist es damit einfach möglich, die in Verbindung stehenden Mitglieder des Gremiums, Teilnehmer der Sitzung, Tagesordnungspunkte der Sitzung oder Drucksachen zu den Tagesordnungspunkten und letztlich Dokumente zu Drucksachen und Sitzung abzurufen.

Für die Nutzer einer mobilen Client-Anwendung könnte es sich als besonders hilfreich erweisen, wenn Dokumente auf dem Server in verschiedenen Formaten zur Verfügung gestellt werden. Denn nicht jedes Endgerät mit kleinem Bildschirm bietet eine nutzerfreundliche Möglichkeit, beispielsweise Dokumente im weit verbreiteten PDF-Format darzustellen. Hier könnte schon der Entwickler der mobilen App Mechanismen vorsehen, die, sofern vorhanden, besser geeignete Formate wie z. B. HTML abrufen.

Neben dem kleinen Display kann für einige mobile Endgeräte auch die im Vergleich zu einem zeitgemäßen Desktop-PC geringere CPU-Leistung eine Einschränkung darstellen. Solchen Geräten kommt es besonders entgegen, wenn der Server zu allen Dokumenten auch den reinen Textinhalt abrufbar macht, der dann beispielsweise für eine Volltextsuche auf dem Endgerät indexiert werden kann. So wiederum kann auf dem Client eine Suchfunktion realisiert werden, welche die OParl-API selbst nicht zur Verfügung stellt.

Eine solche Suchfunktion kann auch über die reine Volltextsuche und über die Suche mittels Text- oder Spracheingabe hinausgehen. Denn ein Client könnte von einem Server-System, das Drucksachen mit Geoinformationen anbietet, diese abrufen und räumlich indexieren. Anhand der Position des Geräts, die mittels GPS genau bestimmt werden kann, könnte so der lokale Cache nach Objekten in der Umgebung durchsucht werden. Das Ergebnis könnte auf einer Karte dargestellt oder in einer Ergebnisliste angezeigt werden, die z. B. nach Distanz zum Objekt sortiert werden kann.

Szenario 2: Integration in Web-Portal

Portallösungen bieten den Betreibern die Möglichkeit, Inhalte auf einer einheitlichen Weboberfläche zu veröffentlichen, die aus verschiedensten Quellen und Plattformen bereitgestellt werden. Inhalte werden dabei häufig als sogenannte „Portlets“ in Seiten integriert.

Ein Beispiel für die Realisierung eines solchen Integrations-Ansatzes wäre eine Kommune, die für ihre allgemeine Website eine Portallösung einsetzt und hier auch Inhalte aus dem kommunalen Ratsinformationssystem einspeisen und darstellen möchte. Die Inhalte könnten als Module mit anderen Inhalten, beispielsweise aus einem Web Content Management System (WCMS), gemeinsam auf einer Seite dargestellt werden.

Eine Seite über den Gemeinderat beispielsweise könnte durch ein Portlet ergänzt werden, in dem die nächsten Sitzungstermine des Gemeinderats aufgelistet werden. Eine Pressemeldung über ein bestimmtes Bauvorhaben, in dem ein Beschluss erwähnt wird, könnte direkt ein Portlet mit einer Detailansicht der entsprechenden Drucksache einbinden.

Die Portlets, die von einem Portalserver zur Verfügung gestellt werden, stellen damit im Sinne der OParl-Architektur Clients dar. Je nach Performanz und Anforderungen im Einzelfall könnten diese Client mit eigenen Caches arbeiten oder aber direkt auf den jeweiligen OParl-Server zugreifen.

Vorteil einer solchen Einbindung, also der kontextbezogenen Darstellung von parlamentarischen Informationen im Gegensatz zu einem monolitischen parlamentarischen Informationssystem könnte sein, dass Nutzer in einer gewohnten und akzeptierten Oberfläche jeweils die relevanten Informationen erhalten, ohne sich an die ungewohnte Umgebung eines parlamentarischen Informationssystems gewöhnen zu müssen.

Die denkbaren Szenarien einer solchen Integration beschränken sich nicht auf anonyme Nutzer von öffentlichen Websites. In einem authentifizierten Umfeld wie beispielsweise einem kommunalen Intranet oder Extranet lassen sich weitere Arten von Portlets und damit Mehrwerte für die Nutzer realisieren. So könnte beispielsweise eine eingeloggte Nutzerin eine personalisierte Liste der Sitzungstermine, zu der sie eingeladen ist, angezeigt bekommen.

Die Standardisierung durch OParl sorgt im Rahmen der Portal-Szenarios dazu, dass Portlets, die für ein bestimmtes parlamentarisches Informationssystem entwickelt wurden, leichter auf andere Systeme – auch verschiedener Anbieter – ausgeweitet werden können, sofern diese ebenfalls OParl-konform sind. Dies ermöglicht es beispielsweise verschiedenen Kommunen, bei der Entwicklung von Portlets zusammenzuarbeiten und ihre Ergebnisse auszutauschen. Denkbar sind auch Portlet-Entwicklungen als Open-Source-Projekte.

Szenario 3: Meta-Suche

Die Ermöglichung einer nutzerfreundlichen Suche, die damit verbundene Indexierung von verschiedensten Dokumenteninhalten und die Kategorisierung von Inhalten kann eine sowohl konzeptionell als auch technisch anspruchsvolle Aufgabe sein. Auch im Hinblick auf die Server-Ressourcen sind damit nennenswerte Aufwände verbunden. Andererseits liegt auf der Hand, dass die effiziente Arbeit mit großen Informationsmengen nach intelligenten Möglichkeiten der Einschränkung von Informationsmengen auf jeweils im Anwendungsfall relevante Treffer verlangt. Beispiel wäre ein Nutzer, der sich für alle Dokumente zum Thema Kreisverkehre interessiert. Die OParl-Spezifikation sieht keine Methoden vor, wie die Ausgabe des Servers schon bei der Anfrage von Dokumenten derart beschränkt werden können. Damit ist die Realisation von Such- und Filtermechanismen im OParl-Umfeld eine Aufgabe, die bis auf weiteres lediglich auf Seite der Clients angeboten werden kann.

Angelehnt an das seit den Anfängen des Webs etablierte Modell der externen Web-Suchmaschine sind spezielle Suchmaschinen für OParl-konforme parlamentarische Informationssysteme denkbar. Diese können auch von dritten, beispielsweise zivilgesellschaftlichen Organisationen betrieben werden, die nicht Betreiber des Server-Systems sind. Solche Plattformen treten gegenüber dem OParl-Server als Client auf und rufen bestimmte oder sämtliche Informationen, die das System bereithält, ab. Vorbild sind die Robots oder Spider von Web-Suchmaschinen. Die abgerufenen Informationen können dann indexiert und je nach Anforderungen für eine gezielte Suche weiterverarbeitet werden.

Dieses Modell ist grundsätzlich nicht auf einzelne OParl-Server oder einzelne Körperschaften beschränkt. Vielmehr könnte der Betreiber einer solchen Suchmaschine sich entschließen, die Informationen aus mehreren OParl-konformen Systemen zu indexieren. Nutzern könnte entweder angeboten werden, die Suche auf bestimmte Körperschaften, beispielsweise auf eine bestimmte Kommune, zu beschränken, oder ohne Beschränkung über alle angebotenen Körperschaften zu suchen.

Daraus ergeben sich vielfältige Anwendungsszenarien, die hier beispielhaft beschrieben werden:

Eine Mitarbeiterin eines regionalen Zweckverbands hat die Aufgabe, Ratsvorgänge in den Mitgliedskommunen mit Relevanz für die Aufgaben des Verbandes im Blick zu behalten. Sie nutzt dafür ein regionales Internetportal, in dem die Inhalte der OParl-konformen parlamentarischen Informationssysteme der Mitgliedskommunen durchsuchbar sind. Um die Suche zu vereinfachen, hat sie einzelne Schlagwörter abonniert, zu denen sie automatisch über neue Vorgänge informiert wird.

Ein Einwohner eines Ballungsraums will sich über aktuelle Vorgänge rund um seine Mietwohnung in Stadt A, sein Gartengrundstück in einer Kleingartenkolonie in der Nachbarstadt B und seinen Arbeitsplatz in Stadt C auf dem Laufenden halten. Dazu abonniert er im regionalen Meta-Such-Portal parlamentarische Vorgänge mit räumlichem Bezug zu diesen drei Standorten und wird so automatisch über neue Aktivitäten informiert, die Relevanz für ihn haben könnten.

Eine Landespolitikerin möchte einfacher über die politischen Aktivitäten ihrer Parteikollegen in den Rathäusern des Bundeslandes informiert werden. Dazu nutzt sie ein Internetportal, in dem die Informationen aus den parlamentarischen Informationssystemen mit OParl-Schnittstelle im Land zusammengeführt werden. Dort hat sie sich Abonnements zu einzelnen Lokalpolitikern eingerichtet und wird automatisch über ihre Teilnahme an Gremiensitzungen und die Themen dieser Sitzungen informiert.

Szenario 4: Forschungsprojekt Themen- und Sprachanalyse

In einem Forschungsprojekt sollen Pro- und Contra-Argumentationen bei Ratsdiskussionen zum Ausbau von Stromtrassen identifiziert werden. Über die Analyse in mehreren Gebietskörperschaften sollen die gefundenen Argumentationen zu wiederkehrenden Mustern verdichtet werden und festgestellt werden, wie diese Muster regional abweichen.

Dazu nutzen die Mitarbeitenden des Forschungsprojektes die OParl-Schnittstellen der parlamentarischen Informationssysteme aller Kommunen entlang der geplanten überregionalen Trassen. Über diese einheitlichen Schnittstellen können sie insbesondere die relevanten Wortprotokolle abrufen und zum Beispiel in einem Werkzeug zur qualitativen Datenanalyse lokal verarbeiten. Im Ergebnis ließe sich auch erkennen, wie ähnlich oder wie unterschiedlich die Argumente in rhetorischer Hinsicht vorgetragen werden.